Eleanor Rigby-oder Wer waren die Frauen in den Beatles Songs

Sie heißen Michelle, Eleanor Rigby, Rita oder Maggie Mae:

In den Songs der Beatles spielen Frauen eine wichtige Rolle.

Doch wer verbirgt sich hinter den Namen?


Dabei sind die Songs der Liverpool-Boys mehr als die Summe ihrer Töne. In sie haben sich eine Reihe von Frauen eingeschrieben, die es gar nicht geben durfte, Affären, die verschwiegen werden mussten; und manche Liedzeile entstand nur, um herauszufinden, wie es um die Liebe zu einem Mädchen bestellt war. Wenn sie gut wurde, lohnte es sich womöglich, sich auf sie einzulassen. Sie heißen Michelle, Eleanor Rigby, Maggie Mae oder Rita.



Wer sind die Frauen hinter den Beatles-Songs?

An wen dachten John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr, als sie ihre Welthits schrieben?

Mädchen haben die Beatles von Beginn an im Sinn gehabt.




Frühe Songs wie Love Me Do, eine Liebeserklärung Paul McCartneys an seine damalige Freundin Iris Caldwell, sind Ausdruck eines tapsigen, jugendlichen Überschwangs, der die kulturelle Hoheit erobern will.

Bis dahin hatten die Alten, die Bessergestellten oder Leistungsträger das Sagen gehabt. Liebe tauchte in deren Wortschatz nicht auf. Und wenn doch einmal von ihr die Rede war wie in der Soulmusik, dann ging es um Treue und Gewalt, Prügel und Ruin. Da bedeutet es 1962 einen Affront, dass Liebesdinge so unbedarft und aufgekratzt besungen werden wie von den Beatles. Ihre Karriere gründet auf der sehnsüchtigen Bitte: Please Please Me – Nimm mich!Solche Songs knipsen ein Gefühl an, und sie knipsen es wieder aus.

Von Bindungen ist nicht die Rede. Erst in einem nächsten Schritt geht das Songwriter-Duo Lennon-McCartney über die bloße Verkündigung hinaus. Gewiss, der Popsong ist ein Musik gewordenes Werbeplakat in eigener Sache.

Aber Bob Dylan ist 1963 schon etwas weiter, er tritt in seinen Folksongs als Bote in Erscheinung, der wiedergibt, was jemand Drittes ihm berichtet hat.
Diesen narrativen Zug wollen auch Lennon und McCartney in ihr Schreiben integrieren.

So entsteht She Loves You. Darin beichtet der Ich-Erzähler seinem Freund, dass er dessen Ex-Freundin getroffen und diese ihm gesagt habe, wie verliebt sie nach wie vor in ihn sei. Trotzdem wird She Loves You nicht wegen des ausgetüftelten Textes die meistverkaufte Single des Quartetts in England. Sondern weil sich in dem ständig wiederholten "Yeah-yeah-yeah" eine ganze Ära aufgehoben fühlt. Für eine kurze Zeit gilt das Versprechen des Pop, dass das Leben turbulent und kostenlos ist. Was für ein Schock, als die Beatles auf dem Höhepunkt dieser Euphorie ihren trostlosesten Song veröffentlichen. Eleanor Rigby fällt mit seinem barocken Habitus 1966 aus dem Rahmen. Denn es geht um den Tod. Eine alte Jungfer bricht in der Kirche, in der sie den Reis auffegt, leblos zusammen. Gezeichnet wird das Bild einer in Konventionen erstarrten, deprimierten Gesellschaft.

Zur Beerdigung der Frau kommt niemand, beim Weggehen wischt sich der Priester den Staub von den Händen. In Liverpool sind die Rigbys eine bekannte Familie, eine Eleanor liegt unweit von McCartneys Elternhaus auf dem Friedhof in St. Peter’s begraben. Das ist die Welt, aus der die Beatles unbedingt entfliehen wollten.

Als McCartney im Daily Mirror von dem Verschwinden einer 17-Jährigen liest, greift er das Thema erneut auf. Der Vater des Mädchens wird mit den Worten zitiert: "Wir haben ihr alles gegeben, ich habe keine Ahnung, warum sie es getan hat." Aber Paul weiß es: "She’s leaving home after living alone for so many years", singt er, und Melanie Coe wird später sagen, dass er die meisten Details in She’s Leaving Home richtig wiedergegeben habe, bis auf die Tatsache, dass sie nicht mit einem Mann "from the motor trade" abgehauen sei, sondern mit einem Casino-Angestellten.

Michelle heißt 1965 die erste namentlich erwähnte Titelheldin im Werk der Beatles. Von der wissen wir nicht sehr viel mehr, als dass sie eben Französin sein muss, was zu allerlei sprachlichen Verrenkungen führt. Sie seien halt ständig auf der Suche nach Themen, über die sie schreiben könnten, entschuldigt Lennon seinen gelegentlichen Mangel an Tiefsinn. Lennon selbst geht 1965 allerdings so weit, sich als Nowhere Man zu bezichtigen.

Der Popstar sieht sich nach etlichen Nummer-1-Hits und umtosten Amerika-Tourneen seiner Gruppe in einer Art Niemandsland verschwinden. Die neu erworbene Villa in Weybridge: luxuriös. Auch Drogen gibt es reichlich, die ihn in seiner eigenen uferlosen Persönlichkeit baden lassen. Fat-Elvis-Periode nennt Lennon im Nachhinein diese Phase.


Er fürchtet, von seinen Konkurrenten abgehängt zu werden. Dylan schaufelt nach seinem Griff zur E-Gitarre immer mehr Inhalte in den Pop. Mit Satisfaction treffen die Rolling Stones das Lebensgefühl der Jugend sehr viel besser. Und The Who brüten gerade My Generation aus. Auch die Kinks sprengen das übliche Teenie-Format mit Songs, die wirklich etwas meinen, eloquent und verstörend sind. Dagegen wirken die Beatles zu brav. Lennons Antwort heißt Norwegian Wood (This Bird Has Flown). Über den Song sagt er: "Ich versuchte, besonders sophisticated zu sein, indem ich über eine Affäre schreibe, aber auf so vernebelte Art, dass man es nicht merkt." Gemeint ist vermutlich, wie der Rolling Stone herausgefunden hat, der Seitensprung mit dem deutschstämmigen Model Sonny Drane. Cynthia Lennon darf in Weybridge davon nichts mitbekommen. Trotzdem führt die Geheimniskrämerei John am Ende selbst in die Paranoia. Denn er glaubt, dass Dylan ihm das Wildern in dessen Songwriter-Gefilden übel nimmt. Tatsächlich schreibt der Monate später eine Entgegnung und bringt in 4th Time Around die Zeile unter: "Ich habe nie um deine Krücke gebeten, also bitte jetzt nicht um meine."Paul McCartney sieht sich zu der Zeit ebenfalls mit Beziehungsproblemen konfrontiert. Seit drei Jahren ist er mit der Schauspielerin Jane Asher verlobt. Die zeigt wenig Neigung, wegen ihres berühmten Mannes auf eine Theaterkarriere zu verzichten. Außerdem treten immer deutlicher kulturelle Differenzen zutage: "Macca" gebärdet sich als Macho aus dem Norden, während sie das Bildungsbürgermädchen aus dem Süden ist. We Can Work It Out, wir kriegen das schon hin, lautet Pauls Rettungsversuch. Dass er Jane Asher längst untreu ist, verrät er in Another Girl. Tatsächlich überrascht ihn Asher 1968 mit einer anderen im Bett – und trennt sich.Im selben Jahr verliebt sich McCartney in die Fotografin Linda Eastman, die er im Gefolge der Animals in einem Londoner Szeneclub getroffen hatte. Eine erste Ode an die elegante, blonde Amerikanerin, die schon Mutter eines Kindes ist, schreibt er auf der Indienreise der Beatles. Er entschuldigt sich, sie so lange übersehen und ihren Namen immer wieder vergessen zu haben. I Will ist sein Ja-Wort. Im März ’69 heiratet das Paar. Nach Indien reisen die Beatles auf Anregung von George Harrison.


Seine Frau Patti hält große Stücke auf Maharishi Mahesh Yogi und die Lehre von der transzendentalen Meditation. Unter LSD-Einfluss ist zwar das revolutionäre Sgt. Peppers-Album entstanden. Doch fürchten die Beatles zunehmend die destruktiven Folgen des Acid-Konsums.
Es fängt schon damit an, dass sie nicht mehr richtig verstanden werden. So geht Lucy In The Sky With Diamonds in die LSD-Mythologie als konspirative Botschaft ein, obwohl der Song von einer Kinderzeichnung inspiriert ist. Lennons Sohn Julian lässt darauf eine Mitschülerin durch einen Sternenhimmel fliegen. Aber auch im spirituellen Zentrum des Maharishi laufen die Dinge nicht wie erhofft. Die vier begegnen Hollywoodstar Mia Farrow (Rosemary’s Baby) und deren Schwester Prudence. Doch ist die im Ashram des Gurus so labil, dass sich Lennon um sie sorgt. "Won’t you come out to play", fragt er die Verstörte in Dear Prudence, "it’s beautiful and so are you".

Den Beatles kommen bald starke Zweifel bezüglich der Seriosität des Maharishi. Sexy Sadie ist John’s Abrechnung. Der Song handelt davon, wie der spirituelle Führer sich mit liebreizenden Frauen wie Mia Farrow umgeben, ihre Aufgeschlossenheit missbraucht, "alle zum Narren gehalten" und so "die Regeln gebrochen" habe. Lennon räumt später ein, dass das Lied nicht auf Tatsachen zurückgehe und sehr "grob" mit dem Inder umspringe. Grob könnte man auch das Verhalten Lennons gegenüber seiner Frau Cynthia nennen. Die fühlt sich trotz der frühen Heirat 1962 nie ganz wohl in ihrer Rolle. "Meistens vermittelte ich nur den langweiligen, schwerfälligen Eindruck einer ganz durchschnittlichen Hausfrau", bemerkt sie, "statt den der Gattin eines quirligen, extrovertierten Popstars". Als sie sich bei der Abreise nach Indien verspätet, lässt er sie auf dem Bahnsteig stehen. "I used to be cruel to my woman", gesteht er zerknirscht, "I beat her and kept her apart / From the things she loved".

Schließlich mutet er ihr den Anblick seiner selbst mit Yoko Ono im Morgenmantel zu. Ihr Kommentar: "Yoko hat mir John nie weggenommen, weil er mir nicht gehört hat." Paul versucht Lennons Sohn Julian nach der Scheidung in Hey Jude mit dem Rat aufzumuntern: "Take a sad song and make it better".Wie sehr sich John Lennon zu der New Yorker Avantgardekünstlerin hingezogen fühlt, zeigt schon die bloße Anzahl ihr gewidmeter Songs. I Want You (She’s So Heavy) ist ebenso eine Hymne an Yoko Ono wie Don’t Let Me Down und natürlich The Ballad of John and Yoko, in der er die verzerrte Wahrnehmung des Paars in den Medien geißelt.
Für Ono ist schnell klar, dass sie in Johns Leben die Mutterrolle übernimmt. Und falls es ihr nicht klar sein sollte, weist Julia sie darauf hin: In den Abgesang auf seine leibliche Mutter, die ihn bei einer Tante hatte aufwachsen lassen und starb, als er 17 war, lässt er die Bemerkung einfließen, dass er das Oceanchild Yoko gefunden habe, das die Liebe zu ihr ersetze. Damit überwindet er die ödipale Bindung, die er in Yes It Is noch als Hinderungsgrund angeführt hatte, eine andere als die rothaarige Belle Dame begehren zu können, die seine abwesende Mutter für ihn darstellt. Wahre Liebe ist für John an entrückte Schönheit gekoppelt. Auch George Harrison wächst schließlich in die Rolle eines Songwriters hinein. Mit Something gelingt ihm eines der berührendsten Lieder der damals zerfallenden Band. Harrisons Ehefrau Patti bezieht den Song auf sich. Dass sie das gewisse "Etwas" hat, entgeht auch Harrisons Kumpel Eric Clapton nicht. Bald wird das Model von beiden besungen. Sogar Platten werden ihr gewidmet: Songs for Patti* und More Songs for Patti *. Das hat keine andere Frau im Beatles-Universum vermocht.



Quelle: Zeit.de


* Dabei handelt es sich um sogenannte Bootlegs


Photos:Press,Robert Freeman(1964)




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